Jahreslosung 2024
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
1.Korinther 16,14
„If they go low, we go high.” Immer wieder geht mir in unseren unsicheren, zerrissenen Zeiten dieser Satz von Michelle Obama durch meinen Kopf und mein Herz. „Wenn die anderen sich nicht benehmen können, antworten wir mit Anstand und Stil.“
Die Worte der ehemaligen First Lady stammen aus dem Jahr 2016, als sie Hillary Clinton im Wahlkampf gegen Donald Trump unterstützte. In einem Interview mit der New York Times erklärte Obama: „‘High gehen’ bedeutet nicht, dass du den Schmerz nicht fühlst oder kein Recht auf eine Emotion hast. Es bedeutet, dass deine Antwort die Lösung widerspiegeln muss. Ich möchte verstehen, warum du dich so fühlst. Und das braucht Zeit. Das ist die Arbeit, die an Küchentischen und in unseren Gemeinschaften geschehen muss. Wenn ich ‘high gehe’, versuche ich nicht, die Argumentation zu gewinnen. Ich versuche herauszufinden, wie ich dich verstehen kann und wie ich dir helfen kann, mich zu verstehen.“
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Knapp 2000 Jahre vor Michelle Obama hat es Paulus so am Ende seines Briefes an die Gemeinde in Korinth formuliert. Viele Konflikte, die es unter Menschen geben kann, hat er in seinem langen Schreiben behandelt. Es geht um das Essen von Fleisch, es geht um Untreue in Paarbeziehungen, es geht um Geschlechterfragen im Gottesdienst, es geht um Geld, es geht um Macht. Eine Agenda also, die bis heute aktuell ist, wenn ein bayerischer Ministerpräsident im Wahlkampf demonstrativ in eine Wurstsemmel beißt oder sich die Ampelkoalition in Finanzierungsfragen um die Kindergrundsicherung verkämpft. Und nachdem er nun diese ganzen Konflikte schriftlich durchgearbeitet hat, kommt Paulus zu dem Schluss: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
„If they go low, we go high.” „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Mrs. Obama und Herr Paulus verschließen nicht die Augen vor der Welt mit einem billigen „piep, piep, piep, wir ham uns alle lieb“. In aller Schärfe sehen sie, wie Konflikte die Welt zerreißen, wie der Hass immer wieder die Oberhand gewinnt, wie unmenschlich Menschen denken und handeln können. Auch Christenmenschen. Nichts wird beschönigt, nichts wird um der Harmonie willen unter den Teppich gekehrt. Aber dieses ungleiche Paar hält fest an der Liebe, am Anstand, am Stil. In unseren polarisierten Zeiten brauchen wir Menschen, die nicht weiter zuspitzen, sondern verbinden. Menschen, die nicht einstimmen ins Gebrüll, nicht beitragen zum Krawall, die andere nicht verächtlich machen. Die beharrlich das Gespräch suchen. Die im hassverzerrten Gesicht des Gegenübers immer noch den guten Gedanken sehen, den Gott in diesen Menschen gelegt hat. Wir brauchen diese Haltung im neuen Jahr mehr und dringender denn je.
Martin Treichel