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Gedanken zur Jahreslosung 2025

16. Januar 2025

Prüft alles und behaltet das Gute! (1. Thessalonicher 5,21)

 

„Ich weiß schon selber, was gut für mich ist.“ ruft die Tochter wütend und stürmt auf ihr Zimmer. Und ich als Vater schaue traurig hinterher. Wieder einmal ist ein Gespräch aus dem Ruder gelaufen.

 

„Der soll gut gespielt haben? Hast du gesehen, wie er im Mittelfeld immer wieder das Tempo verschleppt hat, statt den Ball zügig in die Spitze zu spielen?“ Auf dem Weg zur Straßenbahn nach dem Spiel kann mein Freund kaum glauben, wie ich die Leistung des Kapitäns unseres Lieblingsvereins einschätze.

 

„Vielleicht ist es ganz gut, wenn man die AfD mal an die Regierung lässt. Dann müssen die raus aus ihrer Opferrolle und werden sich entzaubern, wirst sehen.“ Ein Ehrenamtlicher aus der Männerarbeit diskutiert mit mir auf der Sommertagung.

 

Wir sollen alles prüfen und das Gute behalten. So hat es Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki geschrieben und so heißt es nun in der Jahreslosung. Paulus hat das chic und eingängig formuliert –  aber was ist denn das Gute, das behalten werden soll? Es scheint doch schon zu Paulus‘ Zeiten ziemlich umstritten gewesen zu sein – und wie erst heute! Was für die einen gut ist, wird von anderen vehement abgelehnt oder bekämpft. Was für die einen wegweisende Perspektiven sind, wird von anderen umso unerbittlicher bekämpft. Unübersichtliche Zeiten sind das! Ich bemerke es auch bei mir selbst. Ich war mir schon mal viel sicherer, was denn ‚gut‘ ist. Und wenn ich im Rückblick gucke, könnte ich nicht immer sagen, dass auch ‚gut‘ war, was ich seinerzeit für ‚gut‘ gehalten habe.

 

Meine Perspektive auf diesen Jahreslosungssatz daher: Es ist vor allem gut, nicht aufzuhören mit dem Prüfen. Prüft alles und behaltet dieses gut. Womöglich ist es gerade eher eine Zeit der Fragen und des Abwägens als der allzu selbstgewissen Antworten. Eher eine Zeit der tastenden Worte als des vollmundigen ‚immer schon Wissens, was gut ist‘. Vielleicht ist es gut, nicht immer gleich rauszuposaunen, wofür man(n) steht und was ganz sicher auch für alle anderen Menschen gut ist, sondern den Dingen auf den Grund zu gehen und nicht im Alleingang, sondern im Dialog mit Anderen nach Antworten zu forschen.

 

Natürlich: Prüfaufträge müssen auch irgendwann abgeschlossen werden. Es ist nicht gut, alles vor sich herzuschieben. Und natürlich: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ (Erich Kästner)

Straßenkehrer Beppo aus Michael Endes „Momo“ macht es vor. Wenn Beppo die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig. Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte prüfend vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter: Schritt – Atemzug – Besenstrich. “Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.”

 

Martin Treichel